Ostfriesland

Ostfriesland liegt an der Nordseeküste und ist die nordwestlichste Region Deutschlands. Im Allgemeinen wird unterschieden zwischen Ostfriesland im historisch-politischen Sinne (um das es im vorliegenden Artikel geht) und dem geografischen Begriff Ostfriesland, der zuweilen weiter gefasst ist (siehe dazu den Artikel Ost-Friesland). Das Ost in Ostfriesland bezieht sich darauf, dass es im östlichen Teil des alten Friesland liegt – im Gegensatz zum Westfriesland genannten Teil (der Provinz Friesland und der nordholländischen Region Westfriesland in den Niederlanden). Neben diesen beiden Frieslanden gibt es das als Nordfriesland bezeichnete Gebiet im nordwestlichen Schleswig-Holstein, das jedoch außerhalb der im Heiligen Römischen Reich als Friesland bezeichneten Gebiete liegt.

Ostfriesland umfasst die kreisfreie Stadt Emden sowie die Landkreise Aurich, Leer und Wittmund. Diese bilden – von kleineren Grenzkorrekturen abgesehen – das Gebiet des ehemaligen Fürstentums Ostfriesland (1464–1744), das als Regierungsbezirk Aurich innerhalb Preußens, dann Hannovers, wiederum Preußens und später Niedersachsens bis 1978 fortbestand. Die Einwohner dieses Landstrichs sind die einzigen, die sich noch als Ostfriesen bezeichnen. Zudem sind die Stadt und die drei Kreise das Gebiet, das von der Ostfriesischen Landschaft, dem „Kulturparlament“ der Ostfriesen, und dem Staatsarchiv Aurich betreut wird.

Ostfriesland wird begrenzt von den drei oldenburgischen Landkreisen Friesland (Grenze ist die sogenannte Goldene Linie), Ammerland und Cloppenburg im Osten sowie dem Landkreis Emsland im Süden. Im Westen grenzt Ostfriesland an die Niederlande, im Norden an die Nordsee. Dem Festland vorgelagert sind die Ostfriesischen Inseln, von denen sieben bewohnt sind.

Die Inseln Wangerooge und Minsener Oog zählen zu den Ostfriesischen Inseln (mit großem „O“), sind aber keine ostfriesischen Inseln (mit kleinem „o“), sondern oldenburgische. Hintergrund dieses verwirrenden Sprachgebrauchs ist der Unterschied zwischen „Ostfriesland“ (Betonung auf der zweiten Silbe) und „Ost-Friesland“ (Betonung auf der ersten Silbe): Nur der westliche größere Teil des Gebietes zwischen Ems und Jadebusen bildete bis zur Gründung des Regierungsbezirks Weser-Ems auch eine „Ostfriesland“ genannte politische Einheit. Der kleinere östliche Teil Ost-Frieslands war in seinem nördlichen Abschnitt, dem Jeverland, zunächst selbstständig (als Herrschaft Jever, zu der auch Wangerooge gehörte), in seinem Südabschnitt, der Friesischen Wehde, bereits früher Teil Oldenburgs.

Ostfriesen fühlen sich als Teil der friesischen Kultur – als Friesen, die in den Nationalstaaten der Niederlande und Deutschlands an der Nordseeküste wohnen.

Historisch reicht das hochmittelalterliche Siedlungsgebiet von der Lauwerszee (bei Groningen) bis zur Weser (Stedingen) und nördlich der Linie Wildeshauser Geest – Hümmling – Hondsrug. Zur Sektion Ost des Friesenrates gehören daher neben Organisationen aus Ostfriesland, dem Oldenburger Friesland und dem Saterland auch solche aus den Landstriche Butjadingen (Landkreis Wesermarsch) und Land Wursten (zwischen Bremerhaven und Cuxhaven).

Vor allem in kulturellen, aber auch in politischen und administrativen Belangen zeigt sich ein Bemühen um den Erhalt historisch gewachsener Strukturen und ein Festhalten an organisatorischen Abgrenzungen zum Umland. An diesem ausgeprägten Eigenbewusstsein scheiterte etwa der Zusammenschluss der Landkreise Wittmund und Friesland im Zuge der niedersächsischen Landkreisreform zum 1. August 1977 – jedoch „beiderseitig“. Der Landkreis hieß Friesland, Kreisstadt war Wittmund. Nach Klagen vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg wurde der Zusammenschluss zum 1. Januar 1980 zurückgenommen. Auch in der Polizeiorganisation – der Landkreis Wittmund wurde 2005 der Polizeiinspektion in Wilhelmshaven und damit der Polizeidirektion in Oldenburg zugeschlagen, während die Kreise Aurich und Leer sowie die Stadt Emden zwei weitere Polizeiinspektionen innerhalb der Polizeidirektion Osnabrück bildeten – ließ sich eine übergreifende Gliederung nicht durchsetzen. Die Regelung wurde 2007 nach vielerlei Bitten und politischen Interventionen zurückgenommen, der Kreis Wittmund der Polizeiinspektion Aurich angeschlossen.

In Ostfriesland ist eine große Zahl von Baudenkmälern erhalten geblieben. Entsprechend der Struktur Ostfrieslands sind diese nicht nur in den Städten zu finden, sondern auch in vielen Dörfern.

Unter den architektonisch herausragenden Sakralbauten sind die Ludgerikirche in Norden, die größte Kirche Ostfrieslands, sowie die Neue Kirche und die Große Kirche in Emden zu nennen. Letztere verbindet die bis in Mittelalter zurückreichende historische Bausubstanz der im Zweiten Weltkrieg zerstörten reformierten „Moederkerk“ mit einem Neubau aus den 1990ern und beherbergt heute die Johannes a Lasco Bibliothek. Zahlreiche weitere Gotteshäuser Ostfrieslands stammen aus dem Mittelalter, viele Dorfkirchen sind im romanischen und gotischen Stil erbaut.[91] Ein Unikat ist die Suurhuser Kirche, die den schiefsten Kirchturm der Welt beherbergt und daher im Guinness-Buch der Rekorde steht.

Eine Vielzahl von beachtenswerten Profanbauten ist insbesondere in den ostfriesischen Städten zu finden. Aus allen Epochen seit ungefähr 1450 finden sich stilprägende Gebäude. Eine Vielzahl von historischen Gebäuden befindet sich beispielsweise in den Innenstädten von Aurich und Leer. Auch in der Stadt Emden, die während eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört wurde, sind noch Gebäude vergangener Jahrhunderte vorhanden. Daneben hat Emden eine Vielzahl von Bunkern aus dem Krieg aufzuweisen, die heute auf unterschiedliche Art genutzt werden.

Zu den herausragenden Museen der Region gehören die Kunsthalle in Emden, das Ostfriesische Landesmuseum in Emden und Teemuseen in Norden und Leer. Ostfriesische Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts kann im Haus Samson in Leer besichtigt werden. Daneben gibt in vielen Orten Heimat- und Regionalmuseen wie das Historische Museum Aurich oder kleinere themenbezogene Museen wie das Ostfriesische Landwirtschaftsmuseum in Campen oder das Moormuseum Moordorf, das sich der Geschichte der Moorkolonisation widmet. In Emden und Leer gibt es Museumshäfen mit historischen Schiffen.

Ostfriesland war früher reich an Klöstern, von denen das Kloster Ihlow den größten Einfluss auf Politik und Landesausbau hatte. An dessen Stätte in Ihlowerfehn erinnert seit 2009 eine stilisierte Rekonstruktion von Klosterkirche und Garten mit angeschlossener Ausstellung an die Bedeutung der Klöster für den Landesausbau Ostfrieslands. Aus touristischer Erwägung dient der Kirchturm gleichzeitig als eine der wenigen öffentlich zugänglichen Aussichtsplattformen Ostfrieslands.

Über ganz Ostfriesland verteilt finden sich zahlreiche Wehr- und Prachtbauten der ehemaligen Häuptlings- und Adelsfamilien des Landes. Allein in Leer stehen vier dieser so genannte Burgen, die sich teils in Privatbesitz, teils in Besitz der öffentlichen Hand befinden. Die älteste unter ihnen ist die bald nach 1450 erbaute Harderwykenburg. Auch das Schloss Lütetsburg nahe Norden befindet sich in Privatbesitz, im ausgedehnten anliegenden Park sind jedoch Spaziergänge möglich. Im benachbarten Hage befindet sich die Burg Berum. Die älteste erhaltene Häuptlingsburg Ostfrieslands ist das Steinhaus in Bunderhee.[92] Weitere Burgen und Schlösser finden sich auch in Hinte, Pewsum, Stickhausen und Dornum. Im Auricher Schlossbezirk sind Gerichte und das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung untergebracht.

Die größte Veranstaltungshalle Ostfrieslands, die Nordseehalle in Emden, hat eine Maximalkapazität von 5500 Personen. Darüber hinaus gibt es nennenswerte Veranstaltungshallen in Aurich (Stadthalle und seit Mai 2009 auch ein Neubau mit dem Sponsoring-Namen Sparkassen-Arena, maximal 3000 Personen) und Leer (Ostfrieslandhalle).

Theater finden sich auf Norderney (Kurtheater Norderney) und in Emden (Neues Theater). In den anderen Orten werden für Theateraufführungen, Kabarettveranstaltungen u. ä. zumeist andere öffentliche Gebäude wie beispielsweise Schulen genutzt, in Aurich auch die Stadthalle.

Viele Dörfer sind in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge der Dorferneuerung aufgewertet worden. Zu den Dörfern mit gut erhaltenen historischen Ortskernen zählen beispielsweise die beiden Krummhörner Orte Rysum (Landessieger 1995 im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“) und Greetsiel, das Uplengener Dorf Hollen (Zweiter Bundessieger 1993 und 1995 beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“) oder auch Westgroßefehn, das 1633 Ausgangspunkt der Kolonisierung des Großefehns war. Die Gemeinde Großefehn ist von kilometerlangen, schnurgerade verlaufenden Fehnkanälen durchzogen, desgleichen die Gemeinden Rhauderfehn, Ostrhauderfehn, weite Teile der Gemeinde Moormerland und kleinere Teile anderer Gemeinden. Greetsiel und die Rheiderländer Ortschaft Ditzum sind auch als Kutterhäfen touristische Anziehungspunkte.

In Ostfriesland gibt es eine große Zahl von Mühlen, hauptsächlich Holländerwindmühlen, von denen die meisten besichtigt werden können. Die größte dieser Art in Deutschland mit einer Kappenhöhe von 30,2 Metern steht in Hage. Auch die älteste erhaltene Holländerwindmühle Deutschlands, die Peldemühle in Wittmund aus dem Jahr 1741, befindet sich in Ostfriesland[93]. Zu Berühmtheit gebracht haben es auch die unmittelbar nebeneinander stehenden, in rot und grün gehaltenen Zwillingsmühlen von Greetsiel. Außerdem befindet sich in Dornum die einzige Bockwindmühle Ostfrieslands.

Die Gemeinde Krummhörn beherbergt sowohl den größten Leuchtturm an der deutschen Nordseeküste in Campen (65 Meter) als auch den kleinsten in Pilsum (zwölf Meter). Der gelb-rot gestreifte Turm wurde insbesondere durch den Otto-Waalkes-Film Otto – Der Außerfriesische bekannt und gilt – spätestens – seitdem als ein Markenzeichen Ostfrieslands.

Als Wahrzeichen der Blumenstadt Wiesmoor gilt die Blumenhalle. Die 1969 erbaute Ausstellungshalle zeigt auf einer Fläche von 1500 Quadratmeter mehr als 10.000 Blumen. Die Stadt verfügt über viele Baumschulen und große Gartenbau-Betriebe, weite Teile der Anbaufläche liegen unter Glas. Seit 1952 findet jährlich am ersten Septemberwochenende das den Blumen gewidmete Blütenfest statt.

Zu den überregional beachteten Veranstaltungen zählen das Festival Musikalischer Sommer in Ostfriesland, bei dem viele der zumeist klassischen Konzerte in Kirchen stattfinden, sowie das Internationale Filmfest Emden-Norderney, nach der Zahl der Besucher das größte Filmfestival Niedersachsens. Das größte Volksfest Ostfrieslands mit jährlich etwa einer halben Million Besucher ist der Gallimarkt in Leer.

 

Quelle: Wikipedia